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Na, geht es Ihnen genauso wie mir, wenn Sie die Nachrichten verfolgen? Fragen Sie sich auch, ob man beim Elend, das so unfassbar viele Menschen auf der Welt derzeit überrollt, überhaupt noch fröhlich und glücklich sein darf? Fällt es Ihnen auch so schwer, die Traurigkeit darüber für einige Zeit abzuschütteln und das Leben mit einem guten Gewissen zu genießen?

Walter Ludin (geb.1945), ein Aphoristiker und Journalist aus der Schweiz, hat einmal gesagt:
„Je weniger Happyends das Leben uns bereitet, umso mehr brauchen wir davon im Kino.“

Tja, und jetzt kann ich Ihnen an dieser Stelle das Kino in Bingen vorstellen, in dem nicht nur der überwiegende Teil der dort gezeigten Filme ein Happyend hat, sondern das sogar selbst ein solches erleben durfte. Aber von Anfang an:

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Als ich 2011 nach Bingen kam, war ich doch sehr freudig überrascht, dass das Städtchen ein eigenes Kino hat. Das kommerziell betriebene „Cinema“ in der Mainzerstraße 9 erinnerte mich bezüglich Aufmachung und „Größe“ an mein geliebtes Programmkino „Eulenspiegel“ in meiner Heimatstadt Essen. Es hatte auch diesen 50er-Jahre-Charme aber zu bemängeln waren wirklich Ton- und Bildqualität, jedoch die Möglichkeit es fußläufig zu erreichen und das hervorragende Popcorn (wer braucht schon einen 20-Liter-Eimer davon zum Film, wie in den Multiplexkinos angeboten?) trösteten darüber hinweg.

Meine Freude über dieses Freizeitangebot währte jedoch nicht lange, und wie die von mir so geliebte Bingelbahn, stellte das „Cinema“ noch im selben Jahr den Betrieb ein.

Tja, und dann passierte etwas, was ich mir auch für die Bingelbahn gewünscht hätte und immer noch wünsche: Engagierte Bürger und Bürgerinnen der Stadt setzten sich ein, wollten auf ihr Kinoerlebnis nicht verzichten und gründeten im März 2012 (meine Güte, wie die Zeit vergeht) den Förderverein „Kinokultur Bingen e.V – KiKuBi“. Mit großer Freude verfolge ich seitdem ab und an mit einem Kinobesuch und in der Tageszeitung, wie erfolgreich die ehrenamtlich arbeitenden Vereinsmitglieder dies tun und das die Anerkennung dafür nicht ausgeblieben ist, denn bereits zum dritten Mal wurde ihnen im Oktober letzten Jahres der Kinoprogrammpreis des Landes Rheinland-Pfalz für Programmauswahl und Engagement verliehen. Ja, aus dem einstigen „Cinema“ ist ein Programmkino geworden, ein Kino also, das ausgewählte (ältere) Filme zeigt, die in anderen Kinos nicht mehr zu sehen sind und somit die Vielfalt des Filmangebots erhält. Hut ab vor dem Konzept und den anspruchsvollen Filmen, die den Saal immer gut füllen: Ob Kinder- oder Erwachsenenkino, man ist mit Herzblut und Ideenreichtum dabei. Ich gebe Ihnen mal einige wenige Beispiele, von dem, was im letzten Jahr da so passierte und überraschte:

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Gegen Vorlage der Eintrittskarte zum Film „Rheingold“ boten die Binger Gaststätten „Zollamt“ und „Vinothek“ leckere Spezialitäten, nach der Literaturverfilmung „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ fand eine Diskussion mit der Hospiz-Hilfe Bingen statt, Stummfilme wurden mit Live-Klaviermusik begleitet, die Filmemacher von „Australien in 100 Tagen“ waren bei einer Vorstellung dabei und beantworteten Fragen, zum Film „Saint Jacques – Pilgern auf Französisch“ gab es Häppchen und eine Weinprobe….

Sagen Sie selbst, das ist doch mehr als Kino, mehr als Kultur, das sind Events! Erich Michael Lang von der „Allgemeinen Zeitung Bingen“ beschrieb es in einem Artikel so: „…dann nämlich flimmern ja nicht nur Filme über die Leinwand, sondern es wird ein künstlerisches Beiprogramm mit kulinarischem Sahnehäubchen geboten. Das ist schließlich auch zum Markenzeichen von KiKuBi geworden…“

Am Anfang fragte sich der Vorstand, ob ein Kino ohne Profis überhaupt funktionieren kann und nun gibt der Erfolg die Antwort darauf, was mit Begeisterung, hohem Engagement und pfiffigen Ideen zu schaffen ist. Nicht zu vergessen, die vielen Menschen, die mit Spenden und Mitgliedsbeitrag finanzielle Unterstützung schenken.

Also, ich gebe ja die Hoffnung immer noch nicht auf, dass die Bingelbahn wieder zurück ins Städtchen kommt. Ich bin sicher, dass ein solches Konzept, Kulturgut anzubieten, auch mit dem Bähnchen aufgehen würde: Den Fahrgästen könnte man Texte von Stefan George, Goethe, Märchen und Sagen über Bingen, Weisheiten der heiligen Hildegard, Live-Musik, etc. zu Gehör bringen, und alles natürlich begleitet von einem guten Wein aus dem reichen Angebot der heimischen Winzer.

Es grüßt die R(h)eingeschmeckte im traurigen Monat Februar 2016