Kommt man nach Bingen, dann fällt dieses imposante weiß-rote Gotteshaus am Rhein-Nahe-Eck gleich auf. Neben historischen Gebäuden, wie die Burg Klopp, die St. Rupertus-Kirche, die Drususbrücke und die Rochuskapelle formt die gotische Basilika St. Martin das Bild der Stadt.

Welch eine geschichtsträchtige Stätte, die nächstes Jahr bereits 600 Jahre besteht, im Jahre 793 erstmalig urkundlich erwähnt wurde (Schenkungsverzeichnis der Abteil Lorsch) und an deren Position bereits vor Christi Geburt ein römischer Göttertempel gestanden haben soll. Der in der Nordwand der Basilika eingemauerte Grabstein eines Priesters namens Aethaerius ist stiller Zeuge dafür, dass die Binger christliche Gemeinde inzwischen nahezu 1600 Jahre besteht. WOW!!!

Auch dem Papst wurde die Bedeutsamkeit der Basilika St. Martin zugetragen, und so erhielt die Binger Pfarrkirche im Jahre 1930 von ihm die Auszeichnung „basilica minor“ (an 75 Basiliken in Deutschland verliehen), zu erkennen am päpstlichen Wappen über dem Hauptportal.

Sollte es kunsthistorisches Interesse sein, das Sie in dieses, seit 2002 zum Unesco-Welterbe gehörende Gotteshaus führen wird, so werden sie vom Gebäude und seinen bedeutenden Kunstwerken im Kircheninneren nicht enttäuscht werden. Aufzählen möchte ich an dieser Stelle nur einige von denen, die Ihnen bei einem Rundgang durch die Basilika des heiligen Martin begegnen werden:

Zunächst die älteste der Figuren (um 1320), die „Thronende Muttergottes“, eine frühgotische Holzschnitzerei. Bezaubernd und anmutig erscheinen mir die Terrakotta-Statuen der Heiligen Katharina und der Heiligen Barbara, rechts und links des Altarraums. Die liebste aller Skulpturen ist mir jedoch eine hölzerne aus dem Jahre 1990: Da sieht man den Schutzpatron der Kirche, Sankt Martin, auf einem Pferd und vor ihm, und zwar in aufrechter Haltung, den Bettler, mit dem er, der Legende nach, seinen Mantel teilen wird. Ja, ich habe es unter all den Schätzen zu meinem Lieblingsstück erwählt, weil es dadurch, dass der heilige Martin nicht auf den Notleidenden herunterschaut, nicht nur die empfundene Nächstenliebe deutlich macht, sondern auch die Achtung, die der Heilige vor seinem Gegenüber hat. Wie sehr ist das in der heutigen Zeit verloren gegangen, der Respekt vor den Schwachen, und da kommt dieser Kölner Bildhauer Theo Heiermann daher, und zeigt, wie es sein sollte, nämlich indem man auch diesen Menschen auf Augenhöhe begegnet.

Weiter geht’s zum barocken Hochaltar mit den lebensgroßen Statuen der Evangelisten Markus, Matthäus, Johannes und Lukas, der Sie sicherlich, wie mich auch, einige Zeit in Bann ziehen wird, genau wie die modernen blau-weißen Glasfenster im Südschiff, die nicht nur Geschichten erzählen (von Moses und auch von der Stadtheiligen Hildegard), sondern auch dafür Sorge tragen, dass die Basilika trotz ihres Alters nicht dunkel sondern strahlend hell im Inneren erscheint.

Auf die gesamte Sammlung an kunsthistorischen Schätzen an dieser Stelle einzugehen, würde den Rahmen sprengen, aber in der Basilika liegt die Broschüre „Basilika St. Martin“ für ein geringes Entgelt aus, die das macht. Auch außerhalb der Gottesdienstzeiten ist ein ausgewiesener Seiteneingang von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Neben den Eingangstüren und an 3 weiteren Stellen sind Lichtschalter angebracht, an denen Sie die Objektbeleuchtung einschalten können.

Wenn Sie nach Ihrem Kirchenbesuch wieder ins Freie kommen, ist es nicht so, dass Sie nach der Stille die Sie umfing, gleich wieder in der Geräuschkulisse der Stadt stehen, nein, denn der Rundweg um die Basilika empfängt sie mit Ruhe, herrlichem Grün, alt eingewachsenen Bäumen und Rosen, liebevoll bepflanzten Beeten und, wie treffend für diesen Ort, auch die eigentlichen Obstbäume der Bibel sind hier zu finden: Weinstock und Feigenbaum!

Mein Tipp diesen Monat, liebe Leser? Nun, nehmen Sie sich Zeit und lassen Sie sich einmal darauf ein, die Basilika St. Martin, den Ort, wo die Macht einer höheren Existenz spürbar wird, einmal bewusst zu erleben.

Es wünscht Ihnen viele besinnliche Momente in der Hektik des Alltags
die R(h)eingeschmeckte im recht kühlen Mai 2015