Puh, ich bin mal wieder so spät dran, mit dem Monatsbeitrag und das obwohl man meinen sollte, das Daheimbleiben aufgrund der Pandemie schenke Zeit im Überfluss. Kann schon sein, aber ich habe mir so viel an Lektüre, Garten- und Hausarbeit vorgenommen, dass die Zeit mir zwischen den Fingern zerronnen ist, wie Sand. Der nächste Hinderungsgrund: Ein erneuter Wetterrekord. Der April schenkte uns mit 294 Sonnenstunden so viele, wie niemals zuvor seit dem Beginn der Wetteraufzeichnung 1951. Sagenhafte 8 Wärmetage waren dabei, an denen das Thermometer sich um die 25 Grad einpendelte, tja, und wer sitzt da schon gern am Schreibtisch, statt in der Natur, wo die Farben explodieren.
Tja, und wohin zieht es mich, wenn es Sommer ist? Na, ans Wasser und an den Strand. Beides ist ja in der Nähe, und mein Lieblingsplatz ist der Sandstrand am Ketzer in Bacharach. Ein verträumtes idyllisches Plätzchen am Wasser, das einen durchatmen und entspannen lässt. Da ist der Alltag ganz weit weg. Es umgibt mich mit diesem unschuldigen und naiven Zauber von unberührter und doch zivilisierter Naturhaftigkeit, den die verschlafen wirkende Landschaft perfekt zur Schau stellt. Urlaubsgefühle bei Wellenspiel und Möwengeschrei, dem Geräusch der vorbeiziehenden Schiffe, dem Geruch von See und sattem Grün. Und folgt man mit den Augen der Strömung von Vater Rhein in seiner Weite und Länge, dann spürt man eine Freiheit, die selbst
Corona-Auflagen nicht zerstören können.
Ach, wie liebe ich das Wasser und den Strand….Ist Ihnen eigentlich schon mal aufgefallen, dass wo auch immer, wie auch immer, in welcher Form auch immer, Steine zusammen liegen, niemals eine Disharmonie entsteht? Passt immer! Vielleicht faszinieren sie mich deshalb so? Also, ich bin steinreich: Ich sammele Herzenssteine, habe unzählige wohl- und interessant geformte Steine als Zierde im Garten liegen, Bruchsteinmauern umsäumen die Blumenbeete., von meinen Edelsteinen im Safe nicht zu reden (kicher, lach).
Aber zurück zu meinem Rückzugsort, dem „Ketzerstrand“: Auch er ist voller Steine, darunter ganz viele aus Schiefer, die ganz platt sind und nur danach schreien, sie übers Wasser springen zu lassen. Da, wo ich herkomme, im Ruhrgebiet, nennt man es „Steineflitschen“, auf der sehr zu empfehlenden tollen Internetseite „Rund um Bacharach“ habe ich gelesen, dass es hier „Flippern“ genannt wird. Selten liegt ein Gewässer für das Flitschen so ideal dar, wie der Rhein an dieser Stelle und so kann ich stolz berichten, dass ich am Ketzer meinen neuen Rekord aufgestellt habe: 15 Mal hüpfte der flache Schieferstein übers Wasser und ich jubelte lautstark und freute mich wie Bolle. Die übertroffene Bestleistung lag bei 9 Hüpfern, erreicht an den Ufern der Ägäis auf der Insel Lesvos, als sie am frühen Morgen wellenlos war.
Jetzt passierts mal wieder, dass ich vom Thema abkomme, aber ich möchte Ihnen dies noch so gerne erzählen: Wussten Sie, dass die meisten Anhänger des „Stone Skipping“ (Flitschen auf Englisch) in den USA zu finden sind? Da gibt’s Meisterschaften und der Gewinner dieses Jahr ließ seinen Stein 30 Mal übers Wasser glitschen, für ihn gar nichts, denn 2007 hat er den bis heute ungeschlagenen Weltrekord aufgestellt, mit sage und schreibe 51 Hüpfern. Puh..als ich das gelesen habe, blieb mir schon die Spucke weg. Wie soll das denn gehen? Das würde ja am Standort Ketzer bedeuten, dass der Stein das Ufer der gegenüberliegenden Insel erreichen würde, und bitte, sollte mir das echt passieren, denke ich nicht, dass ich nach 20 vor lauter Aufregung noch zählen könnte, glauben würde es mir eh keiner..und überhaupt bin ich mir sicher, angesichts meiner Sehschwäche den Stein gar nicht mehr in der Ferne ausmachen zu können. Hahaha, dagegen würde aber was helfen, was ich auch kürzlich in dem „Spiegel“-Artikel „Steineflitschen als Wissenschaft“ gelesen habe, dass nämlich der griechische Dichter Homer das „Wasserdiskuswerfen“ kannte und von einem Wettstreit zwischen Jason und Herkules schrieb, die ihre Schilde übers Meer krachen ließen…pfffff..Naja, bei den Muckis..
Ach, der Artikel ist echt interessant. Er weist auch darauf hin, dass man den perfekten Stein zum Flitschen, also einen besseren, als die Natur erschaffen könnte, erwerben kann. Ein Däne hat so lange gewerkelt, bis er ihn präsentieren konnte: 96 Gramm leicht, aus Beton, mit abgerundeten Kanten, Ufo-ähnlich. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass jemand keine Lust zum entspannten Steine suchen am Strand hat, aber ich konnte mir bis vorletzten Monat so manches nicht vorstellen, und drum mein Tipp für diejenigen: Bei der Firma Treeplast gibt’s Kunststeine im Dreierset. Dreieckig, abgeflacht und aus einem holzähnlichen Material, das sich im Meer unbedenklich auflöst…
Aber meine Taktik, wie ich die 15 Hüpfer geschafft habe, die verrate ich nicht.
Tja, Sie sehen an meiner Begeisterung, dass man aus Steinen, die einen in den Weg gelegt werden, auch was Schönes bauen kann:
Zum Beispiel zu Coronazeiten ein Zeitfenster für einen Ausflug zum Ketzerstrand und damit zurück zu diesem wunderbaren Wasserspiel, dass uns seit unserer Kindheit begleitet. Meine erste Flitscher-Sportstätte war der Rhein-Herne-Kanal, dann der Baldeneysee, dann ein Fischweiher in der Oberpfalz, gefolgt von der Nordsee, Seine, Tiber und Donau, der Biggesee, die Badeseen in Wissel und Haltern, ich glaube dann der Atlantik und vor dem Rhein die Ägäis.dazwischen aber noch einige Namenlose und Vergessene mehr..ach, ich möchte nur sagen, dass ich es nie schaffe,
eine Wasserlandschaft zu verlassen, ohne Steine über die Oberfläche fliegen zu lassen.
Mir macht es den Kopf frei und ich kann in der jetzigen beängstigenden Situation für eine Zeit vergessen, mit meinem Alter und meiner Herzerkrankung zur Covid 19-Risikogruppe zu gehören…ich kann wieder dem Kind in mir Raum lassen, mir vom Leben nehmen und Leichtigkeit spüren!
Ach, da ist ja noch was: Sie sollten darauf achten, dass es die letzten Tage vor ihrem geplanten Besuch nicht allzu viel geregnet hat, denn der Ketzerstrand ist nur bei Niedrigwasser begehbar, anderenfalls ist es der Unterwasser-Spielplatz von Vater Rhein.
Sprachlich gut, Thema verfehlt, so stand es unter meinen Schulaufsätzen nicht nur einmal. Um diesen Fehler, den ich bei diesem Beitrag wieder machte, etwas abzufedern, schreib ich noch kurz nieder, wie der „Ketzer“ zu seinem Namen gekommen ist. Meine Quelle: „Der Rhein, Geschichte und Sagen seiner Burgen, Abteien, Klöster und Stätte“. Da zitiere ich den Autor W.O. von Horn mal wörtlich: „Winand von Steeg wurde verbrannt, weil er Lehren anhing, die später das Bekenntnis der Reformation waren, und Überlieferungen Bacharach lassen dieses Ketzergericht auf der wüsten Stelle am Rheinufer, unterhalb der Mündung des Münzbaches, die noch heute „Der Ketzer“ heißt, geschehen sein.“
Herr von Steeg hat diesen besonderen Platz wahrlich zum Gedenken an ihn verdient.
Von Herzen eine virenfreie Zeit, das wünscht Ihnen
die R(h)eingeschmeckte im sommerlichen April 2020