Die Hochwasser-Katastrophe, die in der Monatsmitte über Rheinlandpfalz und Nordrhein-Westfalen hereinbrach, lässt mich erschüttert und maßlos traurig sein. Es gibt kaum eine Stunde seitdem, in der ich nicht mitfühlend an das Leid der Menschen in den Hochwassergebieten denke. Für uns geht das Leben in seiner Normalität und mit seinem Alltag weiter und nur ein paar Kilometer weiter gibt es weder das eine noch das andere mehr. Die Bilder schockieren, aber ich bin sicher, dass sie nur einen Bruchteil dessen widerspiegeln, was die Menschen dort durchmachen, Tag für Tag, Stunde für Stunde...immer die Zerstörung und die Trümmer ihres Zuhauses, ihres Lebens und ihrer Heimat vor Augen, Erlebnisse, Verluste, die sie
traumatisiert haben. Keine Zeit abzuschalten, zu trauern, auszuruhen.
Wo nehmen sie die Kraft fürs Weitermachen und den Wiederaufbau her? Möge ihnen Hoffnung und Zuversicht erhalten bleiben und der Strom der Helfer und der Spenden nicht abreißen.
Manchmal wünsche ich mir schon so eine gehörige Portion Pippi Langstrumpf in mir, nach dem Motto „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.“ Sie wäre friedvoll, sicher und wunderschön. Im Großen sehr unrealistisch, naiv und blauäugig, aber unser Ausflug ins benachbarte Örtchen Manubach zeigte, dass es im Kleinen doch möglich ist und präsentierte uns eine Miniatur-Erlebniswelt voll Frieden, Schönheit, Harmonie.
Nun, nach Manubach zog es mich schon lang, ist es doch ein Fachwerkdorf, das so manch alte schöne restaurierte Fachwerkhäuser präsentieren kann. Ich freute mich auf eine Fotosession und machte mich auf, diese Schätze zu bewundern, wobei ich besonders gespannt war auf das alte Pfarrhaus von 1780, das Schulhaus aus dem Jahre 1832 und die Kirche St. Oswald, errichtet im 13. Jahrhundert. Aber es kam anders.
Ich bin ja ein Mensch, der auf Spaziergängen immer auf der Suche nach Fotomotiven ist, und so hab ich die Angewohnheit, langsam wandelnd jeder Ecke, jedem Winkel Aufmerksamkeit zu schenken und auch hier und da mal so ganz unauffällig über Gartenzäune und Hecken zu äugen, um ja nicht die Chance auf ein großartiges Bild zu verpassen. Tja, und was mir da auf der Rheingoldstraße, an der Hausnummer 69, vor die Linse kam, ließ mich mein eigentliches Vorhaben vergessen und schenkte mir einen Kurztrip in eine heile Welt. Statt der vermuteten idyllischen Blumenbeete zierte diesen umzäunten Vorgarten eine Modelleisenbahnanlage!
Und was für eine… Mir ist es gelungen, komplett abzuschalten beim Eintauchen in die faszinierende Welt dieser Gartenbahn. Nicht nur Züge, sondern auch Miniaturabbilder des Lebens sind dargestellt: Eine Brücke überspannt einen kleinen See, ein Angler sitzt entspannt darauf, ein Bergsteiger auf dem erklommenen Gipfel, Menschen sitzen beisammen an einem Imbiss…nein, zuviel verrate ich jetzt nicht, von dem was Sie erwartet. Es soll eine Überraschung für Sie sein, wie für mich.
Ups…jetzt denken Sie bloß nicht, ich wäre ungefragt über den Zaun geklettert. Nein, ich wurde eingeladen, näher zu treten, denn der Mann, der dieses kleine Wunderland mit so viel Erfahrung in handwerklichem Geschick, Landschaftsbau, Elektrotechnik und Liebe zum Detail aufgebaut hat, freut sich über Menschen, die Interesse und Begeisterung an seinem faszinierenden, aber auch zeitaufwendigem und kostspieligem Hobby haben. Es ist so unfassbar dankenswert, dass er es der Öffentlichkeit preisgibt, Fragen beantwortet, aus dem Nähkästchen plaudert und somit Einblick in die Welt der Modelleisenbahner gibt.
Beim Anblick der Dampflok dachte ich an meine Kindheit, als ich in den Ferien meine Großmutter besuchte. Abfahrt Essen Hauptbahnhof, Hauptbahnhof Nürnberg umsteigen, Richtung Fürth, und von dort aus in der tutend pfeifenden Dampflok nach Waidhaus in der Oberpfalz. Noch heute habe ich diese Geräusche und den Geruch der Zugfahrt in der Nase und erinnere mich auch noch sehr gut an die furchterregende Gänseschar, die alle Ankömmlinge am Zielbahnhof laut schnatternd erwartete, um ihnen in die Waden zu zwicken.
Tja, und als ich dem so sympathischen Gartenbahnbetreiber davon erzählte, tropfte er ein wenig Öl in den Schlot der Lok und untermalte so meine Kindheitserinnerungen mit Echtdampfatmosphäre, und auch die Originalgeräusche zauberte er durch eine Knopfbetätigung herbei.
Meinen herzlichsten Dank noch einmal für dieses Erlebnis an den Miniatur-Eisenbahner. Es heißt ja Ehre, wem Ehre gebührt, und eigentlich wollte ich diesen Tüftler, Romantiker und technikbegeisterten Manubacher Bürger namentlich mit einem Foto erwähnen, aber er möchte an dieser Stelle nicht genannt werden, was aber nicht bedeutet, dass er sich nicht über den Besuch von Groß und Klein freuen wird.
Aufgebaut und in all Ihrer Pracht zu bewundern ist die Bahnanlage jedoch nur bei schönem Wetter bis Oktober am Wochenende. Verbindlich ist es jedoch nicht. Sollten Sie vor leeren Gleisen stehen, so seien Sie nicht enttäuscht, machen Sie das Beste draus, wenn Sie schon mal hier sind, stromern Sie durch das malerische Fachwerkdorf Manubach und versuchen Sie es an einem anderen Samstag oder Sonntag erneut.
In der Hoffnung auf einen unwetterfreien Restsommer
grüßt die R(h)eingeschmeckte im Schreckensmonat Juli 2021