Aha, morgen ist also meteorologischer Sommeranfang und, oh Wunder, es sind wirklich sommerliche Temperaturen da draußen, nachdem der Mai in diesem Jahr beileibe kein Wonnemonat und gefühlt der 3. Aprilmonat in Folge war und uns kräftigen Regen, Sturm, Gewitter, Hagel, Kälte und Bodenfrost brachte. Sonnige Abschnitte im Grau in grau waren rar, ein kurzes Zwischenspiel gab der Frühsommer nur um den Muttertag rum, wo plötzlich das Thermometer unglaubliche 30 Grad anzeigte…
Für die Natur war die Nässe ein Segen, und somit waren Frühlingsspaziergänge, wenn das grauslige Wetter mal pausierte, auch ohne Sonnenschein mehr als lohnend, so wie der unsrige, der uns zum idyllischen Weindorf Steeg führte, nachdem ich von einem meiner Lieblingsmenschen den Tipp bekam, dass sich dort ein Wildgehege befinden soll. Kaum zu glauben, denn gehört hatte ich davon nie, Hinweisschilder nie gesehen, vielleicht übersehen? Nun, viel Werbung für ihre kleine Attraktion macht die Stadt Bacharach nicht, dafür aber hoffentlich ich jetzt mit diesem Beitrag, denn es ist so unfassbar schön dort, mitten im Herzen der Natur.
Beim Anblick von sattem Grün, glänzend gelben Butterblumen, dem leuchtenden Weiß von Leimkraut und Lichtnelke fiel mir nach langer Zeit ein Gedicht von Christian Morgenstern wieder ein. Ich mag es Ihnen nicht vorenthalten, denn es ist so treffend für das, was ich da, untermalt von herrlichem Vogelgesang, vor mir sah:
„Butterblumengelbe Wiesen,
sauerampferrot getönt, -
oh du überreiches Sprießen,
wie das Aug dich nie gewöhnt.
Wohlgesangdurchschwellte Bäume,
wunderblütenschneebereift –
ja, fürwahr, ihr zeigt uns Träume,
wie die Brust sie kaum begreift.“
Tja, und so war bei diesem Pflanzenreichtum schon der Weg zum Gehege das Ziel, und dann noch das einheimische Rot- und Damwild beobachten zu können, die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.
Ach, eh ich es vergesse: Ich muss Ihnen ja noch sagen, wie Sie zum Wildgehege kommen: Sie fahren also die Blücherstraße durch Bacharach, Richtung Steeg, so lange, bis Sie zur Ruine des Weiherturms aus dem 14. Jahrhundert kommen. Dort können Sie rechterhand parken, und auf der anderen Straßenseite ist der Eingang. Sollten Sie für sich den ausgeschilderten 1-stündigen Rundgang wählen, erwartet Sie noch ein fantastischer Ausblick auf das Dorf, die St. Anna-Kirche und die Ruine Stahlberg.
Und wenn Sie nun schon mal dort sind, so ist ein Spaziergang durch das reizvolle Weindorf Steeg mit seinen Fachwerkhäusern empfehlenswert. Vielleicht stellt sich Ihnen die Frage, was es mit dem Esel auf sich hat, der Ihnen immer wieder, wie auch auf meinen Fotos, begegnen wird, drum hier eine kurze Erklärung:
Der „Steeger Esel“ ist das Wappentier des Bacharacher Ortsteils. Bis ins 20. Jahrhundert gab es kaum Wege in die Weinberge und so hatten die Menschen auf den Pfaden arg zu schleppen, wenn sie Dünger und Trauben transportieren mussten.
Im Jahr1820 kam man dann auf die glorreiche Idee, dass diese schwere körperliche Arbeit die geduldigen Esel übernehmen könnten, und zwar die Stuten, die sich leichter führen lassen. Eine tolle Idee, und alsbald hatte nahezu jeder Haushalt einen Esel. Schon seltsam, dass Steeg die einzige Gemeinde war, die diese Lasttiere einsetzte. Na, vielleicht, all derweil die Einwohner sich auch damit den Spitznamen „Steeger Esel“ zuzogen, aber mehr wertschätzend gemeint und nicht spöttisch… Mitte des 20. Jahrhunderts wurden dann die Weinbergsmauern errichtet und
breite Wege für Traktoren angeschafft. Somit verschwanden die Esel aus dem Landschaftsbild,
der Name jedoch nicht, der blieb bis heute.
Steeg hat eine Vielzahl von hervorragenden Weingütern (die durch sinkende Coronazahlen diese Woche wieder Gäste bewirten können!!), und das Weingut Schüler, zu dessen Grundstück auch die alte Schmiede gehört, in der einst auch die Esel beschlagen wurden, hat den Grautieren mit der Namensgebung für seine Weine ein nachträgliches Dankeschön beschert, so dass Sie Ihren Steeger Rundgang mit einem „Steeger Esel“ ausklingen lassen könnten!
So, auf geht’s in den Sommer, der hoffentlich auch sommerlich wird.
Einen lieben Gruß
sagt die R(h)eingeschmeckte
im schmuddeligen und stürmischen Mai 2021