„DER HERBST IST EIN ZWEITER FRÜHLING, WO EIN JEDES BLATT ZUR BLÜTE WIRD:“
Dieses Zitat von Albert Camus kann man nur Tag für Tag bestätigen, seit es in den letzten 2 Wochen des Oktobers wärmer wurde und die Sonne die Regie übernommen hat. Das Herbstleuchten begann, die Natur lässt seitdem ihre bunten Farben spielen, und der Herbst zeigt, was er kann. Dafür, dass der Oktober sehr kühl und wechselhaft anfing, sind die goldenen Tage danach mit 20 bis 25 Grad ein großartiges Geschenk. Das Laub in allen erdenklichen Grün-, Gelb-, Orange- und Rottönen zeichnet sich vom azurblauen Himmel ab.
Meister in diesem Fach ist der Essigbaum, vor dem ich immer wieder staunend stehe.
Welch ein herrlicher Monat: Farbenpracht und Erntezeit! Für uns hieß es, aberhunderte von Feigen aus dem Baum zu klauben, Wein zu lesen und Nachbarn und Freunde damit zu beglücken. Inzwischen stehen die Dankesgaben in Form von Traubensaft, Essig, Marmelade, Gelee und Kompott im Vorratskeller.
In unserem Garten leuchten noch vereinzelt Rosen in warmen Rottönen an den Stöcken. die wie Sommerflieder, Hortensien, Herbstanemone, Stockrose, Hortensie, Clematis und manch Gehölz auf ihren Rückschnitt warten, um sie auf das kommende Jahr vorzubereiten. Auf lila-, rot- und rosafarbenen blühenden Astern sitzen Schmetterlinge, genießen die Nahrung, klappen lautlos mit den Flügeln und Bienen brausen rund. Der Rasen ist das letzte Mal in diesem Jahr gemäht, wurde gedüngt, hunderte Blumenzwiebeln sind gesteckt, und Säcke voller Mulch warten darauf, die Beete zuzudecken, bevor die ersten Fröste kommen.
Lach, na, flattere ich mal wieder weg von meinem Ausflugstipp, hin zu einer Gartenkolumne? Ja, ich muss zugeben, dieser Wunsch macht sich breit in mir, und drum wird es wohl zukünftig mehr und mehr passieren, dass ich an dieser Stelle einen Platz für Gartengeschichten einräumen werde.
Diesen Monat war die Kapelle in der Drususbrücke unser Ziel, aber kaum hatten wir das Naheufer erreicht, spürte ich sehr schnell, dass der Weg das Ziel wurde. Was ein zauberhafter Spaziergang bei strahlendblauem Himmel, eine Luft, die frisch und gesund roch, ein faszinierendes Licht, das die Sonne zauberte, als sie durch die Zweige blinzelte und das Wasser der Nahe glitzern ließ. Welch interessante Fotomotive boten die sich im Wasser spiegelnden Häuserzeilen vom gegenüberliegenden Ufer und manch Treibgut in Form von Stämmen und Ästen.
Kastanien, Eicheln, Moos und buntes Blattwerk…alles lag zum Mitnehmen für die Herbstdekoration daheim auf dem laubbedeckten Weg bereit, na, und sollen 3 Kastanien in der Tasche nicht Rheumaerkrankungen vorbeugen? Mein Mütterchen schwor darauf und so trug sie immer 3 Stück neben ihren geliebten Salbeibonbons in der Jackentasche.
Also, mich hat die Naturschönheit des Naheufers begeistert, ein wunderschöner Blick über das Wasser, leuchtende Farben, ein naturbelassener Lebensraum am Fluss für Pflanzen und Tiere und unzählige Fotomotive beeindruckten mich den ganzen Weg entlang, bis wir die Drususbrücke erreichten.
Die Drususbrücke ist laut Wikipedia im 11. Jahrhundert erbaut, ist 126 Meter lang und soll die älteste Steinbrücke des Mittelalters in Deutschland sein. Sie hat einiges erlebt und durchgemacht, was ich gar nicht alles hier niederschreiben möchte, obwohl es sehr interessant ist, aber es würde den Rahmen sprengen. Sie finden es z.B. bei WIKIPEDIA. Toll auszusehen ist sie, mit ihren Brückenpfeilern aus Rotsteinsandquadern, die flussaufwärts mit Eisbrechern besetzt sind. Unglaublich, dass auf dieser tausendjährigen Brücke noch heute reger Straßenverkehr stattfindet.
Bis zum 19. Jahrhundert nannte man die Brücke „Binger Brück“ oder „Nahebrücke“. Ihren jetzigen Namen verdankt die Brücke dem römischen Feldherrn Drusus, der im Jahrzehnt vor Christi Geburt eine hölzerne Brücke an einer anderen Stelle über die Nahe gebaut haben soll, die 70 nach Christus zerstört wurde.
Und jetzt zu der Besonderheit der Steinbrücke, ich sage mal, zu der Kirsche auf der Sahnetorte: In einem Hohlraum östlich des ersten Brückenpfeilers am rechten Naheufer befindet sich eine unterirdische 15 qm winzig kleine frühromanische Kapelle, herausgehauen aus dem Schiefergestein, gemauert aus Bruchsteinen. Eine Treppe führt hinunter zu ihr, verschlossen ist sie durch ein Eisentor, den Schlüssel dafür müssen Sie sich vorab in der Touristeninformation (Am Rheinkai 21) gegen ein Pfand von 10 Euro besorgen.
Also, Sie haben ja jetzt durch meine monatlichen Berichte doch schon meine Begeisterungsfähigkeit und hochsensible Ader in den Zeilen entdecken können und so wird es sie nicht überraschen, dass ich beim Betreten des sakralen Ortes, das Mittelalter nicht nur gesehen, sondern auch gespürt habe. Das Kapellchen, in dem einst Pilger und Kaufleute um Schutz für Ihre Reise beteten, ist schon eine mystische Stätte für mich.
In dem Buch „Bingen am Rhein – Auf Schatzsuche in einer geschichtsträchtigen Stadt“ von Hilke Wiegers, was ich nur wärmstens empfehlen kann, las ich über diesen Brückenschatz, dass vom 15. Jahrhundert an ein Siechenhaus an die Kapelle grenzte und auch dessen Bewohner dort GOTTES Beistand erflehten. Es wird ebenfalls erwähnt, dass der kirchliche Ort dem heiligen Bonifatius geweiht ist und bis 1680 vermutlich eine jährliche Prozession dorthin stattfand. Frau Wiegers lässt ihre Leser nicht im Unklaren über das weitere Schicksal des Kapellchen, nachdem aus dem Siechenhaus im 18. Jahrhundert ein Gasthaus wurde: Das ehemalige Gotteshaus wurde alsdann als Kohlen-/Kartoffelkeller genutzt, und erst in der Neuzeit, mit Sanierung der Brücke, entstand wieder ein Anbetungsort, der nun inzwischen jederzeit besucht werden kann.
Ach, ich wünsche mir so sehr, dass die Bäume schüttelnden Herbststürme noch auf sich warten lassen, damit ihr Farbenspiel uns noch einige Zeit bei Spaziergängen wie diesen, am zauberhaften Naheufer, erfreuen kann.
Wir werden uns wiederlesen, wenn der November vorüber ist und die Bäume kahl sind, die Adventszeit beginnt und man wieder erschreckt feststellt, wie rasend schnell das Jahr vergangen ist.
Aber bis dahin wünsch ich uns Spaß im farbenfroh leuchtenden Laub!
Die R(h)eingeschmeckte
im goldenen Oktober 2024