Mit dem Ende des Monats Februar, endete auch der meteorologische Winter 2019/2020, welcher der zweitwärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnung war. Wärmer war es nur vor 14 Jahren. Frühlingshafte Temperaturen um die 15 Grad waren keine Seltenheit, und nur ein einziges Mal holten wir die Schneeschaufel aus dem Keller, und das war am 27.2. Wir hätten uns die Mühe sparen können, denn schon am nächsten Tag machte ganztägiger warmer Sonnenschein vom azurblauen Himmel die weiße Pracht auf den Wegen zunichte.
Eine traurige Nachricht bringt der Winter, der keiner war, mit sich: Die Winzer haben vergeblich
auf richtigen Frost gewartet, und das Deutsche Weininstitut vermeldet, dass es nur ein einziger war, der Eiswein herstellen konnte: Jens Zimmerle aus dem Remstal. 70 Liter immerhin, abgefüllt in kleinen 0,375-Flaschen, benannt nach seiner Tochter Greta.

Seit einiger Zeit schon liegt ein Flyer der Stadt Oberwesel auf meinem Schreibtisch, der einlädt zu einem Besuch der historischen Stadtmauer in Oberwesel und damit zu einer Zeitreise ins Mittelalter. Am letzten Wochenende im Februar nahm ich diese Einladung an. Bewaffnet mit Kamera und dem Stadtmauerplan der Tourist-Information ging es raus in die frühlingshafte sonnenbeschienene Natur.

Was ich las, versprach viel: Ein Denkmal von besonderer Qualität, in ihrem mittelalterlichen Bestand soll die Mauer weitestgehend erhalten sein und zu den bedeutendsten und am besten erhaltenen Stadtbefestigungen der BRD gehören. Tja, und was ich dann vorfand, überstieg weit meine Erwartungen. WOW!!! Ja, ich weiß, ich bin schnell zu begeistern, aber glauben Sie mir, dieser Stadtmauerrundweg ist es wert gelaufen zu werden. So viel Geschichtsträchtiges, so viel Interessantes am Wegesrand, Aussichtspunkte und Ausblicke auf die Stadt, auf Vater Rhein, die faszinieren und unvergessen bleiben.

Einst hatte die Stadtmauer eine Länge von mehr als 2,5 km und hatte nicht nur die Aufgabe, die Bürger vor Angriffen zu schützen, sondern auch nach außen hin mit der Anzahl der Türme und aufwendigen Verzierungen Macht und Reichtum zu bekunden. Nein, komplett begehbar ist die Mauer heute nicht mehr, aber ab und an kann man bei dem Rundweg einige Meter darauf laufen. Von den einstigen 22 Wehrtürmen stehen immerhin noch 16, von denen einige erklommen und besichtigt werden können. Ich führe mal eben ein paar Beispiele auf:

Der „Zehnerturm“, zu finden in der Nähe des Bahnhofs Oberwesel und ein perfekter Anfang für die Tour, stand früher als Zollturm direkt am Rhein. Heute beherbergt er eine kleine Ausstellung über die historische Stadt und die Arbeit des Bauvereins. (Rechts die 1. Turmabbildung)

Der „Haagsturm“, der früher „Roter Turm“ hieß und jetzt diesen Namen trägt, weil der Maler Carl Haag die Ruine 1865 zu seinem Atelier umbaute. Noch heute gibt es hier Kunstausstellungen.

Der „Kölner Torturm“ hat seinem Namen von seinem Zielort, denn durch dieses Tor führte die alte Römerstraße, die einst die Legionalslager Mainz und Köln miteinander verband. Besichtigt werden kann dieser Turm nicht, denn er ist in Privatbesitz und wird noch heute bewohnt.

Ja, es gibt viel zu besichtigen, zu erfahren, zu staunen: Ans Herz legen möchte ich Ihnen noch die Besichtigung und das Recherchieren der „Mutter-Rosa-Kapelle“ (einst „Werner-Kapelle), auf der rheinseitigen Stadtmauer, einem gotischen Sakralbau und einer echten Besonderheit, da sie fast nahtlos in die Befestigungsanlage integriert ist.

Und weiter ging es durch frühlingshafte Natur, vorbei an gepflegten Gärten, schönen Fachwerkhäusern, und nach bereits einigen ausgestoßenen Ahs und Ohs kam ein lautes WOW in der Bornstraße über meine Lippen. Was für ein Kunstwerk…!! Aber schauen Sie selbst, hab rechts das skurrile Haus für Sie und mich festgehalten.

Nicht nur ein Sahnehäubchen auf den eh schon großen Genuss des Stadtmauerrundgangs erwartet Sie, wenn Sie - wie zufällig – plötzlich auf dem Weinlehrpfad landen. Pfff…ich weiß gar nicht, ob wir irgendwie vom Rundweg abgekommen sind, dass wir bei den Schiefertafeln der 7 Weinheiligen gelandet sind. Wissen Sie wer die sind? Na, lassen Sie sich überraschen, denn es wäre zuviel zu erzählen von diesem Ausflug und hier den Rahmen sprengen, drum nenne ich nur mal St. Goar, St. Urban und St. Laurentius…und ein jeder von den insgesamt 7 Heiligen und Märtyrer begleitet den Turnus des Winzerjahres, hilfemächtige Fürbitter zum Segen der Weinberge.

Und wissen Sie, was Sie auch noch entdecken können, direkt nach einer roten Bank, die einlädt, mal ne Pause zu machen: Uralte Rillen im Felsboden des jahrhundertealten Hohlwegs, Spuren die alte eisenbeschlagene Wagenräder hinterlassen haben. Ein Hinweisschild wird Sie darauf aufmerksam machen.

So, ich oute mich: Den gesamten Rundweg habe ich nicht geschafft, mir fehlte echt die Kondition, die man schon braucht fürs dauernde Treppauf, Treppab und dann fürs Verarbeiten so vieler Eindrücke. So hab ich leider einiges nicht gesehen, wie z.B. den Stadtmauergarten an der Bergseite…eine Oase der Ruhe und Natur soll es sein da in der Bußgasse.

Es wird also ein nächstes Mal geben und dann fangen wir einfach am anderen Ende des Rundgangs an und planen gleich einen Besuch der „Liebfrauenkirche“ mit ein, um den legendären Goldaltar zu bestaunen.

Ich hoffe sehr, dass ich Sie neugierig machen konnte, auf einen Ausflug in die geschichtsträchtige Stadt der Türme, wie Oberwesel zu Recht genannt wird.

Einen guten Start in den Frühling
wünscht die R(h)eingeschmeckte
im winterlosen Februar 2020