Ein neues Jahr hat begonnen und das mit Schnee und klirrender Kälte. Ich war froh, frostfreie Tage am Monatsanfang erwischt zu haben, denn so konnten im Garten die Vorbereitungen fürs neue Wachstum und Erblühen im Frühjahr getroffen werden: All meine Augen-Weiden sind zurückgeschnitten: Wein, Forsythien, Flieder, Rosen, Lavendel, Salbei, Schmetterlings-, Feigen-, Apfel- und Kirschbäume.

Es gab aber auch Menschen, die frostigen Tagen regelrecht entgegenfieberten: Die Winzer, die auf Eiswein hofften und bei der letztjährigen Lese auf Risiko gesetzt und Trauben haben hängen lassen, in Parzellen mit blauen Folien geschützt vor Vogelfraß. Einige Tage knackige Temperaturen unter minus 7 Grad sind für eine ausreichende Durchfrostung schon nötig, bevor die gefrorenen Trauben geerntet und verarbeitet werden können. Bei diesen niedrigen Gradzahlen trennt sich in der Frucht im gefrorenen Zustand das Wasser vom Fruchtsäurebestand, und so verbleibt ein Großteil des Wassers als Eis in der Traube und aus den kleinen Mengen Saftkonzentrat wird Eiswein hergestellt. Tja, ein besonders rares und daher auch kostspieliges Tröpfchen.

Die Süße des Eisweins entsteht in der immens langen Reifezeit, während der die Trauben riesige Zuckermengen ansammeln, die oft durch das Verdunsten der Beerenflüssigkeit weiter konzentriert werden. Der Effekt der Konzentration wird dadurch erreicht, dass das gefrorene Wasser der Trauben beim Abpressen in Form von Eiskristallen abgesondert wird, während die nahezu sirupartigen Geschmacks- und Inhaltsstoffe des Safts fast tropfenweise aufgefangen werden.

2017 hatte in Rheinlandpfalz kein einziger Betrieb Eiswein gelesen. Tja, aber das vergangene Jahr mit seinem nicht enden wollenden Sommer und einem Bilderbuchherbst schenkte den Weinbauern eine üppige Ernte und vor allem gesunde Qualitäts-Trauben ohne Fäulnis. Wer also bei diesem reichlichen Ertrag Trauben übrig hatte, konnte ohne großes Risiko auf Eistage setzen. Bei knackigen 8,5 Grad minus in den frühen Morgenstunden war zum Beispiel in der Niederheimbacher Lage „Froher Weingarten“ Stephan Fendel mit 14 Helfern im Eisweinglück und es konnten 400 Liter gelesen werden. Die Qualitätskontrolle am nächsten Morgen gab ihr ok zum Tropfen mit 142 Oechsle (Mindestgewicht 120).

Eiswein ist ein Produkt, das sich bereits seit nunmehr 200 Jahren großer Beliebtheit erfreut Seine Wiege steht im Binger Stadtteil Dromersheim, wo Winzer rein zufällig feststellten, dass aus erfrorenen Trauben ein kostbarer süßer Wein geschaffen werden kann.
Laut nachfolgendem Artikel des „Rheinischen Volksboten“ aus dem Jahre 1882 über die Entdeckung des Eisweins, kann den Titel „Wiege des Eisweins“ den Dromersheimern niemand streitig machen. Das Wahrzeichen des Ortes, die 5 Meter hohe Eisweinskulptur aus Edelstahl am Ortseingang zeigt ihren Stolz darauf, und ein Denkmal nach dem Entwurf der Architektin Britta Dickescheid vor der Vinothek in Bingen am Rhein erinnert an die Geschichte.

„Aus Rheinhessen: Die Trauben des 1829er Herbstes wurden wegen Mangel an Reife an verschiedenen Orten gar nicht gelesen, oder wo sie es wurden, lieferten sie nur einen äußerst schlechten und sauren Wein. Herr Henner aus Mainz, Besitzer bedeutender Weingüter, teilte in diese Beziehung eine Wahrnehmung mit, die für die Weinbaukunde von hohem Interesse und jedenfalls eine Erscheinung von großer Merkwürdigkeit zu sein scheint. Bedachter Herr Henner befand sich am 12. Februar 1830 im Weingut zu Dromersheim und berichtet darüber folgendes: Die Kälte, die allerwärts und so auch in genanntem Dorfe Entbehrungen aller Art herbeiführte, ließ auch bald einen Mangel an Fütterung für das Vieh befürchten, mehrere Bewohner verfielen daher auf die Idee, einen Versuch zu machen, ob die noch an den Stöcken hängenden Traubenrudern, gleich wie die ausgekelterten Reben oder Trester, nicht zur Nahrung für das Vieh
dienen könnten.

Der Versuch gelang nicht nur, sondern man fand auch in diesen 22 Grad Kälte überstandenen Trauben viele und zwar süße Flüssigkeit, so daß man die weitere Probe begann, diese Trauben durch einen Sack auszupressen und den Saft zu sammeln, woraus sich ein Most ergab, der an Geschmack und Gehalt dem eines guten Herbstes vollkommen glich. Man fürchtete anfänglich, diese süße Flüssigkeit sei unnatürlich und könne vielleicht schädlich sein; man unterwarf sie daher der Gärung und diese ging, wie bei dem gewöhnlichen Most leicht vor sich, so daß dieser neue federweiße Wein bereits seine Wirkung mehrfach äußerte. Herr Henn hatte zwei Flaschen dieses Mostes nach Mainz gebracht, und Alle, die ihn kosteten, stimmten vollkommen in ihrem Urteil mit überein, was oben davon gesagt wurde; er hinterlegte außerdem ein amtliches Zeugnis, von dem Herrn Bürgermeister Schmitt in Dromersheim ausgestellt, daß der fragliche Most von den Trauben
vom Jahre 1829, welche am 11. Februar 1830 gelesen wurde, herrührte.“

Die Wege des neuen Jahres mögen uns zu Frieden, Gesundheit und stiller Zufriedenheit führen.
Das wünscht die R(h)eingeschmeckte im Winter-Januar 2019